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Von Nadelöhr zu Nadelöhr
Spezialwerkzeuge für die Montage der Wendelstein 7-X-Stutzen
Fantini Sud SpA, Anagni, Italien
Über 250 Stahlröhren, sogenannte Stutzen, verbinden das
Plasmagefäß mit der Außenwelt und durchqueren dabei
den tiefkalten Spulenbereich. Sie nehmen Diagnostiken
und Antennen zur Plasmaheizung auf und dienen zudem dem
Anschluss der Vakuumpumpen sowie der Versorgung und
Überwachung von Komponenten im Plasmagefäß. Die Stutzen
sind zwischen 1,4 und 2,5 Meter lang, haben Durchmesser
von 0,1 bis 1 Meter und wiegen zwischen 100 und 1.000 Kilogramm.
Für die Montage entwickelte, qualifizierte und lieferte
die Firma Fantini Sud drei Rampen. Mit deren Hilfe ließen sich
die Stutzen mit sechs Freiheitsgraden und einer Genauigkeit
von bis zu 1,5 Millimetern ausrichten bzw. einbauen.
Der Auftrag war für Fantini Sud eine Herausforderung: Die
Stutzen
mussten hochpräzise ausgerichtet und eingeführt werden;
gleichzeitig mussten große Lasten beherrscht werden.
Der Fädelvorgang durch jeweils zwei Nadelöhre, eine Öffnung
im Außengefäß und die dazugehörige im Plasmagefäß, sollte
wiederhol- und ausgesprochen kontrollierbar sein. Eine flexible
Konfigurierung der Rampen und die Austauschbarkeit der Befestigungsschnittstellen
für die unterschiedlichen Stutzenformen
– rund, oval oder rechteckig –
waren ebenfalls gefordert.
Etwa zwei Drittel der Stutzen
beherbergen Diagnostiken. Eine
davon ist eine Laserdiagnostik,
mit der sich – durch Streuung von
Licht an den freien Elektronen –
die Temperatur und Dichte des
Plasmas berührungslos messen
lassen (Thomson-Streuung).
Diese spezielle Diagnostik ist an einer begehbaren Stützstruktur
montiert, die mechanisch vom Plasmagefäß und dem Außengefäß
entkoppelt sein muss. So wird die erforderliche millimetergenaue
Ausrichtung der Optiken und Laserspiegel nicht beeinträchtigt,
während die Anlage in Betrieb ist. Die Stützstruktur
ist mit einer turmähnlichen Stahlstruktur im Innenraum des
Experimentes verbunden, die zahlreiche Kabel- und Rohrleitungstrassen
aufnimmt. Beide Stützstrukturen aus Edelstahl
hat die Firma Fantini Sud entworfen, hergestellt, getestet und
montiert, und dabei ihre Fachkenntnisse beträchtlich erweitert.
Sie war zum damaligen Zeitpunkt eine der ersten italienischen
Firmen, die sich nach europäischen Normen dafür qualifizierte
und zertifizieren ließ, Stahl- und Aluminiumtragwerke sowie
die damit verbundenen Schweißprozesse auszuführen.
Die für diesen Auftrag erforderliche Weiterentwicklung
der Design- und Fertigungstechnologien und
die hohen Anforderungen an die Qualitätssicherung
führten zu einer entscheidenden Weiterqualifikation
der Firma, bilden einen wertvollen Erfahrungsschatz
und brachten Fantini Sud entsprechende Referenzen.
Die Verbesserung auf dem Gebiet der Schweißarbeiten
und die Erhöhung des Qualitätsniveaus insgesamt
und in allen Fertigungsaspekten waren für das Unternehmensrating
strategisch bedeutsam und bereiteten
den Weg, die nötige Qualifikation und damit Aufträge
von anderen internationalen Kunden wie dem europäischen
Kernforschungszentrum CERN, dem
europäischen Laserforschungsprojekt ELI und der
französischen Firma CNIM zu erhalten.
Stutzenmontage
Fotos: IPP, Beate Kemnitz