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KLEINE UND MITTLERE
UNTERNEHMEN
Spröde
war gestern
Wolframfaserverstärktes
Wolfram
Osram GmbH, Schwabmünchen, Deutschland
Archer Technicoat Ltd., High Wycombe,
Vereinigtes Königreich
Mit seiner einzigartigen Kombination von Materialeigenschaften
ist Wolfram ein vielversprechender Kandidat
für Wandkomponenten, die in einem zukünftigen
Fusionskraftwerk dem Plasma direkt zugewandt sind. Nachteilig
ist jedoch die Sprödigkeit des Materials, das bei Belastung
brüchig und schadensanfällig wird – ein Problem, das die
Nutzung erheblich einschränkt. Ein möglicher Lösungsansatz
ist, im Wolfram Strukturen zu schaffen, die eine lokal auftretende
Spannung verteilen und so eine Art Zähigkeit gewähren
können, also einen erhöhten Widerstand gegenüber Versagen.
Diese von außen eingebrachte Zähigkeitssteigerung oder „Pseudoduktilität“
lässt sich zum Beispiel durch eingebettete Fasern
erreichen, die sich bildende Risse überbrücken, ablenken oder
sich plastisch verformen. Ein erfolgreiches Beispiel für dieses
Konzept sind keramikfaserverstärkte Keramiken. Im Rahmen
von Forschungsarbeiten wurde diese Idee im IPP auf Wolfram
übertragen. Dabei wird das Metall mit beschichteten Fasern
aus gezogenem Wolframdraht verstärkt. So entsteht ein widerstandsfähiger
Verbundwerkstoff.
Um die Eigenschaften und Wirkung der verwendeten Drähte
im Verbundwerkstoff zu optimieren, band das IPP die OSRAM
GmbH als einen Hersteller von Wolframdrähten in die Entwicklungsarbeiten
ein. Zudem beauftragte das IPP die Firma Archer
Technicoat damit, ein Herstellungsverfahren mittels chemischer
Gasphasen-Infiltration zu erproben, mit dem größere und reproduzierbare
Mengen des Verbundwerkstoffs hergestellt werden
können. In einem Folgeauftrag lieferte die Archer Technicoat
Ltd. ihre erste kommerzielle Anlage für Wolfram-Gasphasen-
Infiltrationen an das Forschungszentrum Jülich.
Die Zusammenarbeit zwischen dem IPP und der Osram GmbH hat dazu beigetragen, den Wolframdraht-Werkstoff
noch leistungsfähiger zu machen. Das öffnet Osram neue Geschäftsfelder über bestehende Einsatzgebiete im klassischen
Hochtemperaturbereich hinaus. Hochfeste und duktile Wolframdrähte haben sich in jüngerer Vergangenheit
nicht nur als Fasern für Verbundwerkstoffe in der Fusionsforschung als vielversprechend herausgestellt, sondern sind
auch für andere Hightech-Anwendungen mit extremen Anforderungen von großem Interesse. Darüber hinaus konnte
die Archer Technicoat Ltd. Knowhow zur Gasphasen-Abscheidung von Wolfram auf beschichteten Wolframfasern und
Geweben erarbeiten. Dadurch konnte diese Firma ihr Portfolio ebenfalls erweitern. Sie hat in der Zwischenzeit weitere
Arbeiten und Aufträge mit verschiedenen Projektpartnern zum Thema Gasphasen-Infiltration von porösen Wolframsubstraten
akquiriert und durchgeführt.
Foto: IPP
Querschnitt durch wolframfaserverstärkten Wolfram-
Verbundwerkstoff: Er wurde durch ein neuentwickeltes
Verfahren hergestellt, die chemische Gasphaseninfiltration
von Wolfram.Die kreisförmigen Strukturen mit 150
Mikrometer Durchmesser sind Querschnitte durch die Fasern.
Im Elektronenmikroskop: Wolframfaserverstärktes Wolfram nach
Bruchtest – Siegerfoto in der „NuMart Image Competition“. Der im IPP
entwickelte Verbundwerkstoff besitzt erhöhte Bruchzähigkeit.
Foto: IPP, Martin Balden